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SoWR Versicherung

Eine Analyse einer spannenden Idee von T. 11. Dezember 2022

Soll man das Sequence of Withdrawal Risiko mit einer Cash Position abmildern ? Diese interessante Idee hat mir ein Arbeitskollege zugetragen. Vielen Dank T. dafür !

Vorspann

Die spannende Frage ist, ob dies tatsächlich prinzipiell funktionieren könnte. Oder ob man sich damit nicht nur eine teure, vermeintliche Sicherheit einkauft.

Das SoWR Sequence of Widthdrawal Risk ist der Partycrasher, schlechte Laune Verbreiter, Unhold, Lügner etc. der Pensionsfinanzierung. Die Theorie ist hinreichend bekannt und kann auf meinem Blog nachgelesen werden.
Hier nur eine kurze Zusammenfassung, um das Thema angehen zu können: passieren in den ersten Pensionsjahren grosse Rücksetzer im Portfolio, dann kann ein Portfolio frühzeitig untergehen. Passieren die gleichen Rücksetzer erst in späten Jahren, dann ist das Portfolio fast sicher.

Rücksetzer am Aktienmarkt geschehen regelmässig. Das SoWR schlägt erst zu, wenn diese gehäuft und früh eintreten.

Mit dem Corona- und dem jetzigen FED-Crash, haben wir zwei grosse Rücksetzer innerhalb zweier Jahre. Wer also vor 2-10 Jahren mit Kapitalbezug in Pension gegangen ist, kann durchaus schlecht gelaunt ins Bett gehen.
Solche, die bereits vor länger als 10 Jahren in Pension gegangen sind, deren Laune ist wohl deutlich besser.

Kollege T. geht früh im 2023 in Pension. Zu Jahresende von 2022, zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Blogs, befindet sich der Aktienmarkt in einem Bärenmarkt und die Anleihenmärkte sind tief eingebrochen.

Ein Ende des Bärenmarktes ist nicht in Sicht. Denn ein Boden scheint noch nicht gefunden worden zu sein. Tatsächlich wird von einigen vermutet, dass der Aktienmarkt weitere 20 Prozent abgeben könnte.

Idee

Kollege T. will einen Kapitalbezug vornehmen, aber verhindern, dass das SoWR seine Laune verderben kann. Dazu will er sich ein Cashpolster anlegen, von dem er die ersten Jahre der Pension zehren möchte. Das Portfolio soll in dieser Zeit unangetastet seine Wirkung erzielen. Und weil er ja keine Bezüge machen muss in den ersten Jahren, wäre ein deutlicher Rücksetzer des Aktienmarktes zwar unschön, aber würde nicht zu einem SoWR Effekt führen. Soweit die Theorie des Gedankens.

Analyse
Was wollen wir mit dem Pensions-Portfolio erreichen ?

Das Ziel einer Pensionsanlage ist es, einen positiven Erfolg zu generieren, der den Lebensunterhalt erlaubt. Praktischerweise soll dieser Ertrag die Inflation einpreisen und den aktuellen Gegebenheiten Rechnung tragen.

Was bedeutet eine grössere Cashposition ?

In der Schweiz kennen wir keine risikoarmen Gefässe, ausser einem Sparbuch, die bei einer kurzfristigen Cashposition einen Zins abwerfen. In Deutschland und anderen Ländern gibt es dazu Festgeld-Möglichkeiten. Kurzfristige Eidgenossen erzeugen derzeit auch keinen positiven Realzins.

Das bedeutet also, dass eine Cashposition grundsätzlich mal den Inflationsverlust erleidet.

Da die kurz- und mittelfristigen, risikoarmen Anlagemöglichkeiten derzeit nicht mal die Inflation kompensieren, ist auch kein Überertrag zu erwarten. Das bedeutet, die Cashposition erzielt keinerlei Rendite.

Weiter ist zu bedenken, dass ein Portfolio mit einem niedrigeren Startkapital eigentlich per se keinen höheren Ertrag erwirtschaften kann, als ein Portfolio mit hohem Startkapital, bei gleichem Risiko.

Wie gehen wir nun vor, um herauszufinden, ob sich die Idee durchsetze kann, oder eher nicht ?

Es gibt nun also grundsätzlich zwei Risiko-Szenarien zu betrachten und diese gegeneinander abzuwägen: Den Eintritt eines SoWR Ereignisses vs. den Nichteintritt eines SoWR Ereignisses bei einer dazu vorgesehenen Cash-Position


Machen wir einen Versuch mit folgenden Annahmen: Investsumme 1 Mio. Jährlich benötigtes Kapital 60000.
Portfolioeinbruch im 3. Anlagejahr um 40 Prozent.
Dabei konzentrieren wir uns alleine auf die Portfolioentwicklung.
Der Ertrag der Portfolios ist nicht äquivalent dem benötigen Kapital, sondern bei 4 Prozent, inflationsbereinigt.

Die Inflationserwartung ist bei 2 Prozent, das heisst, wir entnehmen dem Portfolio vorgängig eine Cashposition von 60000 + 61200 + 62424 + 63672 = 247296
Die Cashentnahme für den Lebensunterhalt geschieht zum Jahresanfang

Es wird somit für vier Jahre eine Cashreserve entnommen. Im dritten Jahr gibt es den Börsencrash.

Jahre Cashposition Portfolio Normales Portfolio Entnahme am Jahresanfang
Startpunkt 752704 940000 60000
Beginn Jahr 2 797866 935200 61200
Beginn Jahr 3 845737 928888 62424
Beginn Jahr 4 507442 493660 63672
Beginn Jahr 5 472944 458335 64945

Tatsächlich scheint der Case aufzugehen.

Obwohl das Cashposition Portfolio deutlich tiefer startet, kann es ein normales Portfolio schlagen.


Betrachten wir dieselbe Idee mit einer etwas anderen Betrachtung.

Machen wir dazu folgende Annahmen: Investsumme 1 Mio. Jährlich benötigtes Kapital 60000.
Portfolioeinbruch im 4. Anlagejahr um 40 Prozent.
Dabei konzentrieren wir uns alleine auf die Portfolioentwicklung.
Der Ertrag der Portfolios ist nicht äquivalent dem benötigen Kapital, sondern bei 4 Prozent, inflationsbereinigt.

Die Inflationserwartung ist bei 2 Prozent, das heisst, wir entnehmen dem Portfolio vorgängig eine Cashposition von 60000 + 61200 + 62424 + 63672 = 247296
Die Cashentnahme für den Lebensunterhalt geschieht zum Jahresanfang

Es wird somit für vier Jahre eine Cashreserve entnommen. Im vierten Jahr gibt es den Börsencrash.

Jahre Cashposition Portfolio Normales Portfolio Entnahme am Jahresanfang
Startpunkt 752704 940000 60000
Beginn Jahr 2 797866 935200 61200
Beginn Jahr 3 845737 928888 62424
Beginn Jahr 4 896482 920949 63672
Beginn Jahr 5 472944 487624 64945

Dieses Mal geht der Case nicht auf.


Praktischerweise tritt der Crash im 4. Jahr ein, genau dann, wenn danach auch beim Cashportfolio wieder Kapital entnommen werden muss. Selbstredend kann man nun monieren, das sei ja nicht der Sinn der Cash-Versicherung. Fairer Punkt!

Machen wir dazu folgende Annahmen: Investsumme 1 Mio. Jährlich benötigtes Kapital 60000.
Portfolioeinbruch im 3. Anlagejahr um 20 Prozent.
Dabei konzentrieren wir uns alleine auf die Portfolioentwicklung.
Der Ertrag der Portfolios ist nicht äquivalent dem benötigen Kapital, sondern bei 4 Prozent, inflationsbereinigt.

Die Inflationserwartung ist bei 2 Prozent, das heisst, wir entnehmen dem Portfolio vorgängig eine Cashposition von 60000 + 61200 + 62424 + 63672 = 247296
Die Cashentnahme für den Lebensunterhalt geschieht zum Jahresanfang

Es wird somit für vier Jahre eine Cashreserve entnommen. Im dritten Jahr gibt es den Börsencrash.

Jahre Cashposition Portfolio Normales Portfolio Entnahme am Jahresanfang
Startpunkt 752704 940000 60000
Beginn Jahr 2 797866 935200 61200
Beginn Jahr 3 845737 928888 62424
Beginn Jahr 4 676589 679438 63672
Beginn Jahr 5 652239 655259 64945

Der Case geht wieder nicht mehr auf. Wobei nur knapp.


Zusammenfassung:

Die Idee des Kollegen T. scheint also keineswegs abwegig. Es ist anscheinend eine Überlegung wert, sein Portfolio mit einer Cashposition gegen das SoWR abzusichern, damit bei einem Rücksetzer des Portfolios, dieses nicht noch mit Entnahmen belastet wird.

Aber, ist die Ursache der Überlegungen der obigen Betrachtung nicht ganz woanders zu suchen ?

Das SoWR trifft Portfolios in den ersten Jahren hart. Wäre es nicht sinnvoller, das Risiko zu hedgen, indem man sein Portfolio dementsprechend zusammenstellt und in diesem Sinne diversifiziert ?

Andere Idee

Hier zwei Portfoliovergleiche, generiert mit portfoliocharts.com

Ein Portfolio mit 60 Prozent CH Aktien und 40 Prozent CH Bonds genannt Eidgenossen hat einen max. Drawdown von 40.1 Prozent, bei einem SWR von 3.7 Prozent und einem PWR von 2.8 Prozent. Ein solcher Einbruch im Portfolio kann durchaus für Wallungen sorgen. Zumal eine Erholung Dekaden dauern kann. Das Portfolio birgt also ein deutliches Risiko, frühzeitig unterzugehen.


Das Permanent Portfolio nach Harry Brown mit 25 Prozent Aktien, 25 Prozent Bonds, 25 Prozent Cash und 25 Prozent Gold, zeigt jedoch einen max. Drawdown von noch 14 Prozent, bei einem SWR von 4.4 Prozent und einem PWR von 2.6 Prozent. Das Permanent Portfolio nimmt den Gedanken einer Cashreserve elegant auf.
Fairerweise muss jedoch erwähnt werden, dass Harry Brown unter Cashreserve eigentlich T-Bills meint. Wie oben erwähnt gibt es jedoch in der Schweiz kaum solche Finanzmittel.


Das Zielportfolio des Autors ergibt einen max. Drawdown von 25 Prozent, ein SWR von 5.1 Prozent und ein PWR von 4.0 Prozent. Bei einer Cashreserve von 5 Prozent.

Fazit

Womit sich der Kreis wieder schliesst. Die Simulationen, die in den Tabellen oben ersichtlich sind zeigen, dass 25 Prozent max. Drawdown in etwa die Grenze sind, bei der sich Überlegung eine vorgängige Cashreserve anzulegen überhaupt noch lohnen.


Das Bauchgefühl von T. lässt ihn also eigentlich nicht im Stich.


Die Schweiz bietet beinahe eine perverse Situation. Es spielt nämlich fast keine Rolle ob man sein Geld in Eidgenossen steckt, oder als Cash hält. Nahmhafte Inflation ist in der CH eine Ausnahme. Simulationen auf portfoliocharts.com ohne CH Bonds, mit reinem Cash, ergeben beinahe dieselben Rendite Resultate, aber sogar mit besseren max. Drawdown Werten. Was interpretiert werden könnte, dass eine Bond-Anlage in der CH die Volatilität nicht wie erwartet vermindert, sondern noch zusätzlich erhöht. Von dem her gesehen kann man sich durchaus überlegen, eine deutlich grössere Cashposition zu halten.

Ob es eine gute Idee ist in den ersten Jahren auf ein Rebalancing zu verzichten und rein mit Cash zu leben, habe ich jedoch hiermit nicht beantwortet. Denn eigentlich sollte eine grössere Cashposition auch durchaus dazu dienen, um attraktive Kaufgelegenheiten zu nutzen.


Merci für die Inspiration T. Aber wie wir uns ja bereits einig sind:its your money.